Ein Selbstversuch im analogen Flow
Petra Wöhrmann hat die Studierenden des Lehrgangs Visuelle Gestaltung zwei Tage in der Kunst der Kalligrafie unterrichtet. Ich war zu Besuch - und habe mitgemacht.
Mit Druck nach unten ziehen und dann sanft nach oben fahren, volle Konzentration. Aus der Spitzfeder fliesst die schwarze Tinte über das weisse Blatt, die ersten Buchstaben nehmen Form an. Anfangs noch etwas krakelig, doch schon bald komme ich in einen Flow und tauche ein in die Welt der Kalligrafie. Weg vom Digitalen in das Analoge.
Zwei Stunden später - mein rechtes Handgelenk schmerzt und braucht eine Pause. Drehe es einmal links herum, dann rechts. Betrachte kritisch die geschriebenen Worte vor mir. Bei Petra Wöhrmann sieht es so leicht und fliessend aus beim Vorschreiben. Sie unterrichtet die Studierenden aus dem Lehrgang Visuelle Gestaltung zwei Tage in der Kunst der Kalligrafie – und ich darf aktiv mitmachen. Zum Glück habe ich schon etwas Erfahrung mit der Spitzfeder und der Copperplate-Schrift, die wir nun Buchstabe für Buchstabe lernen. Einige schreiben zum ersten Mal mit der Feder und tun sich noch etwas schwer. Ich erinnere mich noch gut an meine ersten Versuche und schmunzle.
Nach der Mittagspause entlasten wir unsere Handgelenke und schreiben einige Worte mit dem Brushpen. Der Name sagt es: Ein Stift mit einer Pinselspitze, daraus fliesst die Tinte. Praktisch für Unterwegs. Jetzt aber können wir die Pinselspitze direkt in die Tinte tauchen und schreiben. Nach einigen Aufwärmkreisen und -strichten wagen wir uns an die ersten Buchstaben und Wörter.
Der zweite Tag beginnt mit einer speziellen Aufwärmübung. Mit einem nassen Pinsel schreiben wir das Alphabet auf einer selbsttrocknenden Matte. Zuerst erscheinen sie tiefschwarz, verblassen nach einigen Minuten und verschwinden als wäre sie nie da gewesen.
Zum Trocknen hängen wir alle Mappen senkrecht an die Wand und durch die herablaufende Flüssigkeit entstehen Kunstwerke.
Jetzt sind wir bereit für die Grossbuchstaben der Copperplate. Nochmals einige intensive Stunden. Zur Auflockerung zeigt uns Petra zwischendurch einige ihrer Arbeiten – die Vielfalt ist beeindruckend (Link zu ihrer Website am Ende dieses Artikels).
Als abschliessende Aufgabe bringen wir unser Lieblingszitate oder einen Lieblings-Songtitel zu Papier: Mit der Spitzfeder oder dem Brushpen – ich habe beide benutzt für «Collect Moments, not things».
Zwei spannende und intensive Tage – einmal mittendrin zu sein in einem Lehrgang hat mir sehr gefallen. Zwischen den Studierenden herrscht eine entspannte, herzliche Atmosphäre. Alles ganz im Flow, auch zwischenmenschlich.
Petra Wöhrmann jongliert mit Buchstaben: Schriftillustration, Lettering, Handlettering, Kalligraphie und typographische Lösungen für Agenturen, Verlage und Magazine. Mehr zu ihr und ihren Arbeiten auf: https://www.petrawoehrmann.de/
Mehr zum Lehrgang Visuelle Gestaltung.