Endbosse und Menschenrechte in Semesterarbeiten
Semesterendpräsentation im Lehrgang Visuelle Gestaltung: Im Rahmen eines Wettbewerbs haben die Studierenden ernste und verspielte Themen bearbeitet – auf unkonventionelle Art und Weise.
Die D&AD Awards sind eines der bedeutendsten Kreativfestivals der Welt. Beim New Blood Award 2022 – eine Einreichung speziell für Studierende – beweisen sich junge Kreative weltweit im Bereich Design und Werbung. Die Studierenden im fünften Semester des Lehrgangs Visuelle Gestaltung werden dieses Jahr Teil des Wettbewerbs sein. Für sie wurden drei offizielle Briefings ausgesucht, von denen sie sich in Gruppen aufgeteilt eines aussuchen konnten:
- Projekt 1 / 21Grams – Help caregivers prioritise their own health
- Projekt 2 / Google & HMCT – Type as the universal voiceof peace, dignity, and equality
- Projekt 3 / Duolingo – Get people motivated to do their daily lesson
Was daraus enstanden ist, haben die Studierenden nun in der Semesterendpräsentation vorgestellt.
Gruppe 1 – #fairänderig
Die erste Gruppe an diesem Morgen – Daniela Derungs, Lisa Marina Schuler und Marco Schweizer – präsentiert eine Kampagne, die auf die Menschenrechtskonvention aufmerksam macht. Und zwar konkret auf einen Artikel – das Verbot der Sklaverei und des Menschenhandels. Trotz dieses Verbots gibt es heute weltweit noch immer 45,8 Millionen Sklaven. Mehr als je zuvor. Man nennt es moderne Sklaverei, sie ist näher als man denkt. So existiert sie auch in der Schweiz, in Form von Gastarbeiter*innen aus Europa, die schwierige Arbeiten in der Pflege, im Bau oder in der Landwirtschaft verrichten. Ohne Mindestlohn.
Die Gruppe präsentiert als Lösung das Label #fairänderig. Anders als gängige Labels wie suisse garantie und Co. geht es dabei nicht um das Produkt, sondern um den Menschen dahinter. «Lokal einkaufen ist nicht automatisch fair. Wir wollen uns nicht entscheiden zwischen lokal und fair. Wir wollen beides», so das Statement der Gruppe. Zur Kampagne gehören ein Logo – ein abgewandeltes Schweizer Kreuz, das einen Menschen darstellt –, Plakate für den öffentlichen Raum mit provokanten Berufsbezeichnungen wie «Füdliputzer» oder «Bumsdienerin», Inserate für Fachmedien und eine Webseite. Auf Letzterer wird über das Problem aufgeklärt und in Zusammenarbeit mit der Gewerkschaft Unia eine Möglichkeit geboten, Missstände zu melden. Bei der Schriftart hat sich die Gruppe für die open type Schrift Noto entschieden, die universell einsetzbar ist. Mit dieser Kampagne soll den Konsument*innen und den Arbeitnehmer*innen gezeigt werden, welche Bedingungen es für eine Veränderung braucht.
Gruppe 2 – Duolingo
Ein lockeres Thema bearbeitete die zweite Gruppe mit Alessia Ferrari, Kay Tiefenthaler und Deborah Balmer. Der Auftrag: Nutzer*innen der bestehenden Sprachlern-App Duolingo wieder dafür zu motivieren, mehr zu lernen. Während Corona waren und sind wir alle mehr zu Hause. «Wir wollen die Nutzerinnen und Nutzer sprachlich bereit dafür machen, wenn sie wieder überall hinreisen können.» In der App lernt man eigentlich nur eine Sprache.
Deshalb hat die Gruppe ein Spiel mit mehreren Endbosses kreiert. Diese beherrschen nicht nur die jeweilige Landessprache sondern auch Slangs. Diese muss der Nutzer in einem Spiel besiegen. Nicht mit Waffen oder im Kampf, sondern mit Vokabeln und Grammatik. Visualisiert im Retro-Gameboy-Setting reist Spielfigur «Duo» also um die Welt und stellt sich in Battles den Endbosses. Ans Sprachenlernen wird der Nutzende ausserdem mit Pushnotifications und Mails erinnert. Prove your skills!
Gruppe 3 – Man of the match
Um die bevorstehende Fussballweltmeisterschaft in Katar dreht sich die Kampagne der dritten Gruppe, Bianca Eugster, Ursula Müller und Alina Steiger. Für das Grossevent wurde Infrastruktur aus dem Boden gestampft – ohne dabei die Menschenrechte einzuhalten. Die Zustände und Arbeitsbedingungen sind so katastrophal, dass bei den Arbeiten 15'000 Arbeiter*innen ums Leben gekommen sind. Darauf macht die Gruppe mit ihrer Kampagne aufmerksam. Sie besteht aus drei Teilen: Plakaten, einem digitalen Element und einem non-traditional touchpoint.
Für die Plakate dient die Font Fjalla, welche die Gruppe aufgrund des sportlich-auffallenden Looks ausgewählt hat. Auf den Plakaten werden gängige Fussballausdrücke wie «Hand of God» der Realität gegenübergestellt, indem etwa eine gezeichnete Hand eines Arbeiters neben einem Goalie-Handschuh gezeigt wird. Für den non-traditional touchpoint werden in einem Stadion 15'000 Plätze gekauft (für die 15'000 Menschenleben), die mit schwarzen Sitzen ausgestellt werden, die letztlich leer bleiben. Auf einzelnen weissen Sitzen wird die Botschaft transportiert und mit Aufklebern verbildlicht. Das digitale Element ist die Webseite, auf welcher die Besuchenden die Tickets bestellen. Dabei müssen sie mit einem Kreuzchen nicht nur die AGB bestätigen sondern auch, dass sie selber mitverantwortlich für den Tod von 15'000 Menschen sind. Ausserdem wird den Besucherinnen und Besuchern auf der Webseite nochmals in Aussagen und Bildern vor Augen geführt, wie die Menschenrechte für die WM verletzt werden.
Gruppe 4 – choose the unnecessary human right
Mehr als 60 Prozent der weltweiten Bevölkerung haben keine Ahnung, was alles zu den Menschenrechten gehört. Das trifft auch auf die Schweiz zu. «Wir haben kaum Bezug dazu.» Das wollen Nicole Giesch, Karin Blöchlinger, Adrian Iten und Simon Costabiei mit ihrer Arbeit ändern. Sie haben sich für ein unkonventionalles Voting etschieden. Und küren mit einer Abstimmung und einem Award das «unnötigste Menschenrecht». Die Strategie dahinter: feststellen, konfrontieren und sensibilieren.
Dazu hat die Gruppe Kontakt mit dem Verein humanrights.ch aufgenommen, der von der Idee äusserst angetan ist. Hauptzielgruppe der Kampagne sind Jugendliche. Diese werden in den Sozialen Medien mittels Umfragen durch die Abstimmung geführt, die letztlich immer zur selben Auflösung kommt: Menschenrechte sind unantastbar, wir brauchen sie alle. Als Ergänzung dienen eine Plakataktion im öffentlichen Raum und Inserate in den Medien. Die Gestaltung erinnert an Schlagzeilen, die Schriftart Poppins unterstreicht das Verspielte, Liebliche, was sich auch in den Pastellfarben der Kampagne wiederspiegelt. «Wir haben uns bewusst für diese Farben entschieden, um eine gewisse Unschuld zu zeigen und damit zu provozieren», so der Gedanke der Gruppe. Als Sujet fungiert Justicia, die mit einer Waage Käse und Schokolade im Gleichgewicht hält, sowie Tell, der auf Freidenstauben schiesst.
Gruppe 5 – everybody
In der Schweiz herrscht eine Krankenversicherungspflicht. Für eine solche Versicherung muss man sich aber einem Geschlecht zuordnen. Nonbinäre Personen werden also ausgeschlossen. Die Lösung für dieses Problem präsentiert Gruppe 5 mit Daniela Schönenberger, Sabrina Ferri und Romina Bärtsch: die erste Gesundheitsversicherung für alle Geschlechter. Für everybody. Die Querstellung im Logo ist das Wiedererkennungsmerkmal, das sich durch die ganze Kampagne zieht, sowohl in Wortspielen als auch im Gestalterischen.
Bunte, laute Farben sollen ebenfalls Aufmerksamkeit generieren. Die gewählte Schriftart Krub verbindet Ecken, Kanten und Rundungen, was die Einzigartigkeit zum Ausdruck bringen soll. Bei der Plakatkampagne steht die Genderdiversity im Fokus, dabei wird mit stadortbezogenen Sprüchen gespielt - zuerst anonym, bis das Rästel, wer denn nun hinter «everbyboidy» steckt, aufgelöst wird. Dei Gruppe stellt sich dafür eine Kooperation mit Kulturveranstaltern wie dem Open Air St.Gallen vor, um die Zielgruppe direkt zu erreichen. Am Stand im Sittertobel gibt's farbige Pflästerli, Turnbeutel und Kondome - für everybody, versteht sich.