Im Herzen der Schweizer Politik den Digitec-Gründer getroffen
Zu Gast, wo die nationale Politik geprägt wird: Die Informatiker/-innen EFZ Plattformentwicklung im zweiten Ausbildungsjahr besuchten während des allgemeinbildenden Unterrichts (ABU) das Bundeshaus in Bern. Der einstündige Einblick in die Sommersession des Nationalrats beeindruckte, das Gespräch mit Digitec-Gründer und FDP-Nationalrat Marcel Dobler inspirierte.
Kaum hatten die Lernenden auf der Zuschauertribüne Platz genommen, gab sich Nationalrat Balthasar Glättli (Grüne/Zürich) am Rednerpult angriffig. Er kritisierte, dass der Bundesrat beim Umweltschutz erst handle, wenn es zu spät sei. Bundesrat Albert Rösti (SVP/Bern) konterte diesen Vorwurf: «Die pauschale Bewertung des Bundesrates finde ich nicht angebracht, nachdem wir innerhalb von kurzer Zeit das Umweltschutzgesetz im Bereich der Kreislaufwirtschaft und das CO2-Gesetz revidiert haben.» Ausserdem würde jetzt mit Vollgas an den Verordnungen zur Umsetzung des Klima- und Innovationsgesetzes, des CO2-Gesetzes und des Stromgesetztes gearbeitet.
Eine Stunde lang durften die Informatiker/-innen EFZ Plattformentwicklung im Nationalrat zuhören und zuschauen. Stets prominent in ihrem Blickfeld befand sich das Landschaftsbild von Charles Giron: «Die Wiege der Eidgenossenschaft». Vor dem monumentalen Ölgemälde führte Nationalratspräsident Eric Nussbaumer (SP/Basel-Land) durch die Traktanden. Insgesamt wurden während des Besuchs der GBS-Klasse zehn Motionen oder Postulate behandelt. Die angehende Informatikerin Seline fand es unterhaltsam: «Ich wäre gerne länger geblieben. Ich interessiere mich politisch und fand es spannend, wie die Politiker/-innen ihre Vorstösse präsentierten.»
Welchen Tipp hat der Digitec-Gründer?
Die Exkursion ins Bundeshaus rundete einerseits das ABU-Thema Gemeinschaft und Staat ab. Andererseits diente sie dazu, die Interviewtechnik im Hinblick auf die Vertiefungsarbeit im dritten Lehrjahr zu lernen. Die Klasse von Dario Bühlmann durfte sich nämlich darauf festlegen, wen von den zwölf Nationalräten/-innen des Kantons St.Gallen sie in einem Sitzungszimmer des Bundeshauses befragen.
Nach einer ausgiebigen Recherche fiel die Wahl auf FDP-Politiker Marcel Dobler. Dieser punktete bei den jungen Erwachsenen mit seinem Werdegang: Er schloss eine Berufslehre als Elektroniker mit Berufsmatura ab und gründete 2001 zusammen mit Oliver Herren und Florian Teuteberg das Unternehmen Digitec. Zudem gewann er in den Sportarten Leichtathletik und Bob Medaillen an Schweizer Meisterschaften.
Die Lernenden nutzten das Treffen und fragten Marcel Dobler über politische Abläufe aus, nach seiner Meinung zu Kryptowährungen und nach Ratschlägen für eine Start-up-Gründung. «Im Idealfall macht ihr euer Hobby zum Beruf. Die Freude, an dem was man tut, ist der ehrlichste und wichtigste Antreiber im Leben», antwortete der 43-Jährige.
Am Beispiel von Digitec zeigte Marcel Dobler auf, wie entscheidend Zeitpunkt, Konkurrenzsituation und Kundenbedürfnis für eine Geschäftsidee sind. 2015 beendete Marcel Dobler seine Tätigkeit als Co-CEO von Digitec und verkaufte die bis heute bekannteste Schweizer Plattform für digitale Produkte wie IT- Telekommunikation und Unterhaltungselektronik an die Migros. «Nach 15 Jahren hatte ich den Wunsch nach einer Veränderung, nach etwas Neuem», erklärte er. Seit 2015 gehörte der FDP-Politiker nun dem Nationalrat an und hat im Verlaufe der Jahre fast 100 Vorstösse eingereicht.
Mikroplastik-Filter in allen neuen Waschmaschinen?
Balthasar Glättli verlangte mit seiner Motion übrigens, dass konkrete Massnahmen gegen Mikroplastik aus Textilfasern mit Branchenvereinbarungen getroffen werden. Unter anderem forderte er, dass der Einbau von Mikroplastik-Filtern in allen neu verkauften Waschmaschinen gesetzlich vorgeschrieben wird.
Die grosse Kammer folgte der Empfehlung des Bundesrats und lehnte die Motion ab. Heute gelangen durch das Waschen von Textilien jährlich bis zu 80 Tonnen Mikroplastik ins Schweizer Abwasser. Bundesrat Albert Rösti verwies darauf, dass in den Kläranlagen rund 95 Prozent davon zurückgehalten werden. «Der Anteil des aus den Textilien in die Umwelt gelnagenden Mikroplastik wird mit den bestehenden Abwasserreinigungsverfahren also bereits stark reduziert», erklärte der Vorsteher des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation.
Wer sitzt wo im Nationalrat?
Die Diskussion zwischen dem Grünen-Nationalrat Balthasar Glättli und SVP-Bundesrat Albert Rösti gleich zu Beginn des Besuchs, weckte die Aufmerksamkeit der Lernenden. Zum Beispiel bei Finn, der sagt: «Solche Momente waren aufregend. Überrascht hat mich, dass wir viele Politiker/-innen aus der Deutschschweiz am Rednerpult sahen.» Während des einstündigen Aufenthalts im Nationalratsaal sprach einzig Nationalrat Piero Marchesi (SVP/Tessin) Italienisch.
So staunten die Lernenden über die Simultanübersetzer/-innen für die Politiker/-innen aus der Westschweiz und dem Tessin. Fleissig wurde auch nachgeschaut, welcher Fraktion die Nationalräte/-innen angehören und wo sie im Saal Platz nehmen. Der Arbeitsplatz von Marcel Dobler wurde dabei ganz genau beobachtet. Warum sass er nicht permanent an seinem Platz?
Der Schweizer Unternehmen und ehemalige Spitzensportler erklärte: «Wir nutzen die Session auch, um neue mehrheitsfähige Vorstösse auszuarbeiten. Da wir jeweils in der Fraktion vorher festlegen, wie wir abstimmen, hören wir uns die Äusserungen zu den einzelnen Geschäften nicht immer an.» Gerade nach dem Nein zu den beiden Initiativen im Gesundheitswesen am 9. Juni 2024 (Kostenbremse-Initiative und Prämien-Entlastungs-Initiative), sei die Gelegenheit für neue Vorstösse und Kompromisse ideal. Deshalb eilte Markus Dobler nach einem Erinnerungsfoto mit den GBS-Lernenden zum nächsten Termin.