Mit Hingabe zum Schweizer Literaturpreis
Zuerst der Schweizer Literaturpreis, dann ein Werkbeitrag des Kantons St.Gallen. Die Arbeit von Lika Nüssli wird gewürdigt. Glücklicherweise gibt sie ihre Erfahrung als Dozentin weiter. Wie profitieren die Studierenden an der Schule für Gestaltung St.Gallen in ihrem Unterricht?
PLS 23 Lika Nüssli from Julien Chavaillaz on Vimeo.
Für Lika Nüssli könnte das Jahr 2023 gar nicht besser laufen. Für ihre Graphic Novel «Starkes Ding» wurde sie mit einem der insgesamt sieben Schweizer Literaturpreise ausgezeichnet. Den mit 25'000 Franken dotierten Preis vergibt das Bundesamt für Kultur. Die Jury lobt: «Dringlich und mit einer grossen Sogwirkung – die sprachlich vielschichtige und bildstarke Graphic Novel zieht die Lesenden mitten hinein in ein düsteres Kapitel der Schweizer Sozialgeschichte: die Verdingkinder.» Das Werk steht auch auf der diesjährigen Liste der schönsten Schweizer Bücher.
Was Lika Nüssli mit ihrer eigenen Arbeit erreicht, will sie den Studierenden des Gestalterischen Vorkurses Erwachsene weitergeben. Sie spricht von Hingabe und davon, in eine Arbeit einzutauchen. «Es soll Spass machen und das Vertrauen in die eigene Bildsprache stärken», sagt die Propädeutikum-Dozentin.
Gegenseitige Inspiration
In ihrem Fach Illustration legt Lika Nüssli den Schwerpunkt auf den Prozess. Die Studierenden sollen ihre eigene visuelle Handschrift suchen und finden. «Und das Bewusstsein für die Macht der Bilder entwickeln», sagt die St.Galler Künstlerin. Am Unterrichten an der Schule für Gestaltung St.Gallen hat sie besonders Freude, wenn sie den zurückgelegten Weg der Studierenden sieht. Es findet eine Entwicklung statt. Die Studierenden lassen sich inspirieren.
Die Inspiration beruht dabei auf Gegenseitigkeit. Lika Nüssli betrachtet die Eindrücke aus dem Klassenzimmer als Gewinn für die eigenen Arbeiten. Womit kann sie eine Studentin oder ein Student begeistern? «Wenn sie zum Beispiel regelmässig ein Skizzenbuch führen, oft Zeichnungsrecherchen machen oder mit verschiedenen Materialien experimentieren», antwortet die Mitherausgeberin des Comic-Magazins Strapazin.
Lika Nüssli | Portrait 2022 from scenofilm on Vimeo.
Mehr Absagen als Zusagen
Die Bekanntgabe des Schweizer Literaturpreises blieb nicht die einzige Medienmitteilung, in der Lika Nüsslis Name in den vergangenen Monaten vorkam. Vom Kanton St.Gallen erhielt sie einen Werkbeitrag in der Höhe von 20'000 Franken. Wie kommen Kunstschaffende in den Genuss dieser kantonalen Kulturförderung? Ein gutes Dossier sei wichtig, sagt Lika Nüssli. Sie führt aus: «Es ist nötig, die eigene Arbeit klar und verständlich darzustellen. Es muss eine Ernsthaftigkeit und kreative Eigenständigkeit erkennbar sein.» Bei Absagen dürfe man sich nicht entmutigen lassen. Es sei normal, dass es in einem Künstler/-innenleben mehr Ab- als Zusagen gebe.
Nachdenken, die Welt beobachten
Lika Nüssli selbst forscht und experimentiert auf dem Boden der Narration bis in die verschiedenen Formen der bildenden Kunst. Ihr Spektrum umfasst Zeichnungen, Comics, Malerei, Installationen, Performances und Texte. Sie ordnet ein: «Zeichnen, performen und installieren bedeutet für mich Nachdenken, die Welt um mich herum beobachten. Sie erfassen und sie in eine eigene neue Form bringen, die wiederum von anderen gelesen und interpretiert werden kann.»
Auch darüber, was sie mit Gestalten in Verbindung bringt, hat sie sich Gedanken gemacht. Gestalten bedeute für sie, ein Statement abzugeben. Politik und Gesellschaft ebenso bearbeiten wie die persönliche Geschichte und sie so fassbar machen. Bei diesem Tiefgang verwundert es nicht, dass Lika Nüssli regelmässig auf Lesereisen in verschiedenen Kantonen geht und Workshops im In- und Ausland gibt. Ihre nächste Vernissage in St.Gallen ist am 9. September 2023 an der Gruppenausstellung «Himmel Helvetia, der neue geile Block von Anita Zimmermann».