«The Tone of Voice» – die 100 besten Plakate sind am GBS St.Gallen zu sehen
Philip Kerschbaum holt die renommierteste Plakatausstellung im deutschsprachigen Raum wieder nach St.Gallen. Die 100 besten Plakate werden ab dem 1. September 2023 im Eingangsbereich des GBS St.Gallen ausgestellt. Die Vernissage beginnt um 19 Uhr. Im Interview verrät Philip Kerschbaum welches St.Galler Plakat besonders herausragt und welche Rolle die Ausstellung an der St.Galler Museumsnacht vom 9. September 2023 spielt.
In Berlin sind sie bereits zu sehen, bei uns ist es am 1. September 2023 so weit: Die 100 besten Plakate des Jahres 2022. Philip, worauf dürfen wir uns freuen?
Philip Kerschbaum, Präsident des Vereins Alumni HF KGD und Inhaber des Design-Studio Modo: Ich war an der Eröffnung in Berlin und darf sagen, dass uns erneut eine unglaublich spannende Ausstellung erwartet. Es gibt diverse Höhenflüge zu bestaunen. Und für die Vernissage am 1. September darf ich Erich Brechbühl und ein Jury-Mitglied der 100 besten Plakate ankündigen. Unter den tollen Werken gibt es auch wieder eines mit lokalem Bezug. Das Design Studio Büro Sequenz hat es mit seinem Plakat für das St.Galler Literaturfestival Wortlaut unter die 100 besten Plakate aus Deutschland, Österreich und der Schweiz geschafft.
Weshalb überzeugt gerade das Wortlaut-Plakat?
Für das Literaturfestival wird seit Jahren mit derselben Flächenteilung gearbeitet: Das Plakat wird durch zwei Diagonale und zwei Vertikale getrennt, die ein W bilden. Sascha Tittmann, Corina Gälli und Amanda Züst haben dieses Mal eine sehr radikale typografische Lösung gefunden. Sie verzichten komplett auf Bilder und verschaffen dem Schriftzug «Wortlaut» Raum. Das überzeugt, denn an Literaturtagen hat das Wort Gewicht. Diese Radikalität, dieses auf den Punkt bringen ist eine grosse Qualität. Darüber werden sich die Besucher/-innen der Vernissage bestimmt mit den Schöpfern/-innen unterhalten können. Alle Drei haben übrigens schon in einem Klassenzimmer an der Schule für Gestaltung St.Gallen Platz genommen und sind aktuell für den neuen Auftritt des Theater St.Gallen verantwortlich.
Apropos Unterricht: Worauf legst du besonderen Wert, wenn dir unsere Studierenden der Visuellen Gestaltung HF im Fach Plakat zu hören?
Ein Plakat muss eine Institution repräsentieren oder eine Thematik wiederspiegeln. Es geht darum, die richtige Tonalität zu finden. «The Tone of Voice» ist etwas vom allerwichtigsten. Auch muss eine komplexe Botschaft so reduziert sein, damit sie auf einem Plakat einfach zu verstehen ist. Das gelingt mit wenigen prägnanten Elementen. Man überlegt sich, wie man ein Thema in eine kreative, raffinierte Form bringt. Wie schaffe ich einen visuellen Reiz, damit das Plakat mit seiner Botschaft bemerkt wird und längerfristig in Erinnerung bleibt?
Das ist die Herausforderung, der sich Gestalter/-innen stellen.
Es geht darum, durch eine kreative Leistung Emotionen hervorzurufen. Für animierte Plakate gibt es die klassische Regel, dass in Loops gedacht wird. In einer Bahnhofspassage hast du viele Passanten/-innen schon verloren, wenn die wichtigste Information nicht nach drei Sekunden eingeblendet wird. An einem Bahnhof ist alles in Bewegung, ein Raum totaler Reizüberflutung. Gestalter/-innen müssen die Informationen möglichst verdichten, damit wir wahrgenommen werden und aus der Masse herausstechen.
Welches der 100 besten Plakate 2022 ist dir positiv aufgefallen?
Franz Frommann von der Universität für Angewandte Kunst in Wien hat es mit seinem Plakat definitiv geschafft. Es zeigt einen riesigen Autoreifen, der mit «Killing You Softly» beschriftet ist. Während die Aussage auf die Klimathematik hinweist, wird der Reifen wahnsinnig schön, ja fast schon überhöht dargestellt. Wie in einem Autosalon. «Killing You Softly» ist sozialkritisch und etwas ironisch. Das Plakat regt zum Nachdenken an: Soll ich bei jeder Gelegenheit auf das Auto zurückgreifen? Solche politischen Statements gefallen mir.
Vor einem Jahr hat Laura Hüppi, ehemalige Propädeutikum-Studentin, mit ihrem Plakat für Gleichberechtigung überzeugt. Gibt es dieses Mal Vergleichbares?
Die internationale Bewegung «Woman!Life!Freedom!» hat aufgrund der Demonstrationen in Israel dazu aufgerufen, Plakate zu gestalten. Die Botschaft: Mehr Schutz für Frauen vor Gewalt. Daniel Stolz und Doris Freigofas aus Deutschland haben ein schönes Statement eingereicht. Gezeigt wird eine Frau in starker Pose. Die Illustration hat etwas Keckes, etwas Fröhliches und etwas Beharrliches. Der Widerstand wird auf eine Art und Weise widerspiegelt, die nicht dramatisiert. Das Plakat ist ein ideales Gefäss, um so wichtige Werte wie Gleichberechtigung und Freiheit zu vermitteln.
Haben die Gewinner/-innen der 100 besten Plakate auch neue Möglichkeiten von Augmented Reality ausgelotet?
Dem Luzerner Studio Feixen ist gemeinsam mit Erich Brechbühl (Mixer) und Josh Schaub (Konzept) eine Innovation gelungen, die es so noch nicht gibt und absolut State of the Art ist. Für das Graphic Design Festival Weltformat haben sie mehrere animierte Layers in den Raum hineinplatziert. Wenn du dieses Werk mit der Handykamera animierst, kommt dir eine Pyramide entgegen. Dieser Film im Film im Film ist in dieser Form ein Novum.
Schweizer Grafikdesign und Typografie haben also weiterhin eine Strahlkraft über die Landesgrenzen hinaus.
Deshalb werfen wir während unserer Ausstellung noch einen zusätzlichen Blick auf vergangene Ostschweizer Plakate, die zu ihrer Zeit zu den 100 besten Plakaten gehörten. Zu sehen sein werden sieben Plakate, welche die grosse Qualität unserer Region repräsentieren. Interessierte dürfen sich übrigens auch wieder an der St.Galler Museumsnacht davon überzeugen, dass die Ernennung unter die besten 100 ein Ritterschlag ist. Am 9. September werde ich auf einem Rundgang umfassende Infos zu den einzelnen Plakaten und zur Designgeschichte mit Bezug zu den regionalen Plakaten geben. Wir beleuchten an der Museumsnacht gemeinsam die Hintergründe von statischen und animierten Plakaten.
Die 100 besten Plakate des Jahres 2022 aus Deutschland, Österreich und der Schweiz
Vernissage: 1. September 2023 um 19 Uhr.
Ausstellung: 1. September bis 23. September 2023
Ort: Demutstrasse 115 in St.Gallen.