Wie verkaufen Gestalter/-innen ihre Arbeit nicht unter Wert?
Zeit ist Geld. Maike Hamacher ist Visuelle Gestalterin und Lehrgangsleiterin an der Schule für Gestaltung St.Gallen. Sie hat analysiert, wie viel Zeit und welche Arbeitsschritte anfallen, bis ein Buch gestaltet und gedruckt ist. Diese Transparenz helfe, seine Arbeit nicht unter Wert zu verkaufen.
Manchmal ist es zum Verzweifeln. Trotz einer erfolgreichen Entwurfspräsentation, kann sich ein Projekt in die Länge ziehen. Wenn der Job von Grafiker/-innen in der Regel erledigt ist, hakt es plötzlich während der Umsetzungsphase. «Wir buttern zu viele Arbeitsstunden rein, weil das Material verspätet oder unvollständig geliefert wird oder die Kundschaft mehrmals telefonisch über das Projekt weiter diskutieren will», so Maike Hamacher während ihres Referats an der Tÿpo St.Gallen 2023.
Wie viele Arbeitsstunden fallen an?
Gemeinsam mit ihrer Geschäftspartnerin Madeleine Stahel berichtete sie aus dem Alltag des Büros 146. Neben Corporate-Design- und Web-Auftritten widmen sie sich leidenschaftlich der Buch- und Magazingestaltung. Ihre geleistete Arbeit dokumentieren sie genau, damit sie beim Offerieren auf Erfahrungswerte zurückgreifen können. Pro Jahr gibt das Büro 146 zwischen drei und zehn Bücher heraus. «Für ein mittleres Buch mit 300'000 Zeichen, 200 Abbildungen, 264 Seiten im Format 16x24 Zentimeter wenden wir um die 100 Stunden auf. Das ist schnell», schildert Maike Hamacher.
Ein dickeres Buch mit 550'000 Zeichen, 690 Abbildungen und 400 Seiten im Format 22x31 Zentimeter ist hingegen nach über 280 Stunden fertig gestellt. «Ein grosses Thema ist bei diesem Werk die Bildauswahl, die bei uns meist in Zusammenarbeit mit der Kundschaft entsteht», erklärt Maike Hamacher. Anhand eines Farbsystems kann die Co-Lehrgangsleiterin der Schule für Gestaltung St.Gallen grafisch aufzeigen, wie viel Zeit die Arbeitsschritte Entwurf, Ausarbeitung, Korrekturen oder Administration benötigen.
Think outside the box
Maike Hamacher studierte an der ZHdK Zürich und der FH Düsseldorf und absolvierte Auslandspraktika in New York und Berlin. Seit Sommer 2023 unterrichtet sie an der Schule für Gestaltung St.Gallen und hat die Co-Lehrgangsleitung der künftigen Visuellen Gestalter/-innen übernommen. «Die Studierenden sind total sympathisch und ich freue mich, sie auf ihrem Weg zu begleiten», sagt Maike Hamacher. Sie hält zusätzlich Workshops an verschiedenen Institutionen wie die Hochschule der Künste Bern und der F+F Schule für Gestaltung in Zürich. Sie wolle mehr mitgestalten, was heute gelernt wird. «Ich bin schon so lange als Designerin tätig, dass ich Lust darauf habe, das Handwerk weiterzugeben», sagt sie.
Im berufsbegleitenden HF-Studium Visuelle Gestaltung lernen die Studierenden, wie sie aussergewöhnliche Konzepte entwickeln. Das Motto: Think outside the box. Im Laufe der Weiterbildung eignen sie sich einen eigenständigen, gestalterischen Ausdruck an. Die Studierenden erweitern ihr Portfolio und können mit dem Diplom in der Hand in Agenturen, Studios oder als selbstständige Designer/-innen wirken.
Inspiriert durch Mani Matter
Im Jahr 2011 hat Maike Hamacher selbst den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt. Zusammen mit Madeleine Stahel und Valentin Hindermann gründete sie das Büro 146 in Zürich. Der Name ist eine Hommage an Mani Matters Song «Är isch vom Amt ufbotte gsy».
Das Büro 146 gestaltet Künstler/-innen-Publikationen und umfangreiche Projekte für Institutionen wie die ETH Zürich oder das Bundesamt für Kultur. Einige der Bücher wurden im Wettbewerb der schönsten Schweizer und deutschen Bücher ausgezeichnet. An ihrem gut besuchten Workshop an der Tÿpo St.Gallen sagte Maike Hamacher: «Je länger ich diesen Job mache, desto wichtiger ist es zu wissen, von welchem Einkommen ich leben kann. Was ist meine Zeit und meine Arbeit wert?» Den Teilnehmenden gab sie eine Kalkulationshilfe mit auf den Weg.
Tabuthema Geld
Eine der heiss diskutierten Fragen war, wie man dagegenhalte, wenn die Kundschaft den Preis drücken will. Die Teilnehmenden waren sich einig, dass der anfallende Aufwand sichtbar gemacht werden soll. Wie Ärzte/-innen oder Handwerker/-innen können auch Designer/-innen in ihrer Offerte detailliert begründen, welche Aufgaben anfallen. Das zum Beispiel von Maike Hamacher im Büro 146 angewendete Farbsystem stellt den Aufwand plausibel dar.
Maike Hamacher fasste im Tÿpo-Workshop zusammen, dass sich die Branche im Spannungsfeld Arbeitszeit, Budget der Kundschaft und dem eigenen Existenzminimum bewege. Ihr finaler Appell: «Wenn wir über das Tabuthema Geld sprechen und unsere Erfahrungen teilen, dann werden wir gemeinsam den Wert unserer Arbeit hochhalten.»