Für diese Gastro-Profis ist alles möglich
An der Lehrabschlussfeier der Gastroberufe wurden die Ehrungen der Notenbesten und der besten Vertiefungsarbeiten mit dem längsten Applaus begleitet. Ein ganz spezieller Programmpunkt erzeugte jedoch die grösste Spannung: die Verleihung des Social Skills Award. Für den witzigsten Moment sorgten zwei Restaurantfachfrauen EFZ, die typische Sprüche ihrer Gäste vortrugen.
Mehr Bilder von Fotografin Brenda Sieber gibt es ab dem 8. Juli 2024 unter diesem Link.
Wenn ein Gast aufmerksam gefragt wird, ob er bezahlen wolle, entgegnen viele: «Eigentlich nicht, wenn es nicht sein muss…» Diesen Satz habe man während der Lehre bestimmt eine Million Mal gehört, bemerkte Restaurantfachfrau Nikita Moosmann. Sie hielt gemeinsam mit Marina Borlini die Laudatio, die jährlich ein Höhepunkt der Gastro-Abschlussfeier in der Olma-Halle 2.1 bildet. Zur Lehrabschlussfeier luden das GBS St.Gallen, die Gastro Stadt St.Gallen, die Interessengemeinschaft Gastro-Lehrlingsfeier IGL, die Ostschweizer Gastronomiefachschule und die Hotel & Gastroformation SG AI AR FL.
Letztes Jahr wurde der mit Insidern gespickte Rückblick als Reim vorgetragen, diesmal gingen die beiden Restaurantfachfrauen vom Casa Solaris in Niederuzwil auf zeitlose Standardsprüche ein. Marina Borlini führte das Gespräch mit dem fiktiven Gast fort und erntete dafür die nächsten Lacher. Sie fragte, ob sie nach dem Einkassieren einen Beleg ausstellen solle. Eine landesweit bekannte Antwort darauf ist: «Ich kann das Essen sowieso nicht von den Steuern abziehen.»
Immer Vollgas
Die liebevoll vorgetragenen Anekdoten zeigten den über 850 anwesenden Personen, wie wohl sich Marina Borlini und Nikita Moosmann in der Gastrobranche mittlerweile fühlen. Der Dank der Absolventinnen galt den drei Säulen des Schweizer Berufsbildungssystems: Ausbildungsbetrieb, Berufsfachschule und Überbetriebliche Kurse. Die verschiedenen Wegbegleiter/-innen hätten dafür gesorgt, dass die Lernenden «immer Vollgas geben».
Ali Ibrahim, Küchenangestellter EBA im Alters- und Pflegeheim Hof Haslach, hat sozusagen aufs Gaspedal gedrückt. Mit seiner Abschlussnote 5,6 zählt er gemeinsam mit Ramon Micheli und Indira Gagulic zu den allerbesten des diesjährigen Gastroberufe-Jahrgangs im Kanton St.Gallen. «Ich habe viel gelernt und mich gut auf die schriftlichen und mündlichen Abschlussprüfungen vorbereitet», erklärt er. Seine Faszination für den gewählten Beruf trug ihn durch die Ausbildung. Er sagt: «Ich arbeite gerne unter Stress. Die Zeit vergeht dann viel schneller.»
Total überrascht
Ali Ibrahim gehört zu jenen Absolventen/-innen, die mehrmals auf die Bühne gebeten wurden. Er nahm nicht nur sein Lehrabschlusszeugnis entgegen, sondern gehörte auch zu den Gewinnern/-innen des Social Skills Award. Mit dem Social Skills Award ehrt die Stiftung Emil Nüesch Lernende, die sich durch ihre hohe Sozialkompetenz auszeichnen. Gewählt werden die Preisträger/-innen von der Klasse.
Sowohl Ali Ibrahim als auch Silvia Streule, zwei der insgesamt 14 Ausgezeichneten, zeigten sich überrascht. Beide gaben sich innerhalb der Klasse hilfsbereit und punkteten mit Teamwork. «Mit dieser Auszeichnung hätte ich nicht gerechnet. Wenn jemand aus der Klasse meine Unterstützung brauchte, habe ich einfach geholfen», sagt Silvia Streule, Köchin EFZ bei der Gaststuben zum Schlössli AG in St.Gallen.
Klares Ziel vor Augen
Silvia Streule bestand das Qualifikationsverfahren mit der Note 5,5 und nahm auch noch gleich den Applaus für eine der prämierten Vertiefungsarbeiten entgegen. Sie entwarf innert weniger Wochen ein eigenes Dirndl.
Was ist das Erfolgsgeheimnis von Silvia Streule? Ihr Interesse am Beruf. «Ich mag an meinem Beruf, dass er so abwechslungsreich ist. Die Tage sind sehr verschieden», sagt die Köchin EFZ. Wichtig sei es auch, motiviert zu bleiben und sowohl in der Schule als auch im ÜK und im Ausbildungsbetrieb gut zuzuhören.
Silvia Streule hat auch bereits den Ratschlag verfolgt, den Berufsweltmeisterin Martina Wick den Absolventen/-innen in ihrer Rede mit auf dem Weg gab: «Wer sich ein klares Ziel setzt, findet die nötige Energie dafür. Packt die Chancen, die auch die Gastronomie bietet und verwirklicht eure Träume.» Martina Wick ist ausgebildete Köchin und Restaurationsfachfrau. Heute arbeitet sie als Berufsbildnerin im Hotel Hof Weissbad in Appenzell und hat mit drei Geschäftspartnern die Firma Breitmaul GmbH gegründet. Sie sagt: «Der Vorteil der Gastronomie ist, dass das Netzwerk wahnsinnig gross ist. Wer sich bemüht und engagiert ist, dem stehen alle Türen offen. Nutzt euer Netzwerk, denn die Hilfsbereitschaft, auf die ihr stossen werdet, wird euch verblüffen.»
«Alles ist möglich»
Auf die offenstehenden Türen verwies ebenfalls Festrednerin Sabrina Camenzind, Direktorin Hotel & Gastroformation Schweiz. Sie stellte fest, dass in der Gastrobranche schweizweit rund 350'000 Menschen tätig sind. «Es hat Platz für viele und unterschiedliche Karrierewege. Diese Berufslehre ist Ihre Startrampe und jetzt haben Sie die Wahl», erklärte Sabrina Camenzind. Die Absolventen/-innen können nun selbst entscheiden, in welchen Herausforderungen sie eine Chance sehen. «Haben Sie vertrauen in sich selbst und die bereits erworbenen Fähigkeiten», riet Sabrina Camenzind.
Ein Gedankengang, den Urs Hehli in seiner Ansprache unterstützte. Der Prorektor Dienstleistungsberufe am GBS St.Gallen spürte den Stolz, die Zufriedenheit und die Genugtuung in der Olma-Halle. Er machte den über 200 neuen Gastro-Fachkräften Mut: «Die Zukunft gehört Ihnen, wir leben in einer Zeit, in der alles möglich ist.» Zum Beispiel gibt es bereits Restaurants, in denen Roboter die Bestellung servieren. Dazu sagte Urs Hehli: «Bei aller Freude an den Möglichkeiten, welche die moderne Technik mit sich bringt: Einen Gast beraten, ein freundliches Lächeln oder das Abschmecken in der Küche bringen Sie besser hin.»