Interactive Media Design Day: Mehr als Ästhetik – es geht um Bedeutung
Die erste Design Week in St.Gallen stellte die Kreativszene ins Rampenlicht. Zum Abschluss wurde das Design-Netzwerk am Interactive Media Design Day in der Aula des GBS St.Gallen weiter gestärkt. Rund 300 Gäste erhielten unter dem Tagungsmotto «REACT» inspirierende Impulse und Praxisbeispiele. Interdisziplinäre Teams werden von den Referenten/-innen aus Wien, Madrid, Oslo, Zürich und St.Gallen als Schlüssel betrachtet, um das Potenzial neuer Technologien bestmöglich zu nutzen.
Was Hedda Lilleng vom Studio Snøhetta am Interactive Media Design Day sagte, kam gut an: «Design geht über Ästhetik hinaus – es geht darum, Bedeutung zu schaffen.» Grossartiges Design verändere nicht nur das Äussere, sondern auch die Perspektiven der Menschen. «Es hebt das Denken auf ein neues Niveau, hinterfragt Annahmen, inspiriert Hoffnung und treibt Wandel voran.»
Während des Fachkongresses wurden zahlreiche wegweisende Beispiele präsentiert. Sixtine de Cidrac von flora&faunavisions betonte die Kraft immersiven Storytellings: Es könne umweltbewusstes Verhalten fördern, Einstellungen zu sozialen Themen verändern und schulische Leistungen verbessern. «Wir haben die Möglichkeit, Kultur zu prägen, Nachhaltigkeit zu fördern und Inklusion voranzutreiben. Indem wir Technologie verantwortungsvoll nutzen, schaffen wir echten Impact.»
Sie forderte dazu auf, Technologie zu nutzen, um emotionale Erlebnisse zu verstärken und Kunst zugänglicher zu machen. Mit der weltweit ersten digitalen Inszenierung des «Ring-Zyklus» verbindet flora&faunavisions klassische Oper mit moderner Technologie:
Die Superkraft der Nachwuchstalente
Elyna wird diesen Sommer als Interactive Media Designerin EFZ abschliessen und begeistert sich für Installationen und interaktive Designlösungen. «Es ist spannend zu sehen, wie sich unsere digitalen Möglichkeiten weiterentwickeln», sagt sie.
Manuel Fischer vom Zürcher Ozelot Studios richtete sich direkt an die anwesenden Interactive Media Designer/-innen EFZ des GBS St.Gallen, die HF-Studierenden der Schulen für Gestaltung in St.Gallen und Zürich sowie die Designklasse des CSIA Lugano: «Ihr habt eine echte Superkraft: Ihr kennt die aktuellen technischen Möglichkeiten genau und wisst, wie ihr sie gezielt einsetzt, um eure Generation zu erreichen, Aufmerksamkeit zu wecken und Interesse zu erzeugen.»
Mixed Reality als Chance
Die Welt der Mixed Reality zu erkunden, ist ein Weg, um bei der Kundschaft zu punkten. Ende Februar nahm Elynas Klasse an einem Workshop der Schlussredner des diesjährigen Interactive Media Design Days teil, gehalten von Immerea. Flavia Mazzanti und Manuel Bonell ermöglichten den Lernenden erste Schritte mit Shapes XR – einer Software, die es erlaubt, immersive 3D-Modelle und Prototypen in Echtzeit zu erstellen und zu bearbeiten. «Das war eindrücklich!», sagt Elyna. Es erfordere ein gewisses Grundverständnis, um die vielen Funktionen optimal zu nutzen.
Das Künstler-Duo von Immerea berichtete am Interactive Media Design Day unter anderem über das interaktive Gesamtkonzept «Beyond My Skin» an, bestehend aus einer Installation, einer Live-Performance und einem Mixed-Reality-Erlebnis.
Lernen und lehren im Metaverse
Zur Eröffnung des Fachkongresses in der Aula des GBS St.Gallen trug auch Rektor Daniel Kehl eine VR-Brille – Teil des Projekts «XReate – Lernen und Lehren im Metaverse». Er nutzte die Gelegenheit, den Anwesenden einen begehbaren 3D-Scan eines Schulgebäudes zu zeigen. In diesem digitalen Zwilling, einer virtuellen Umgebung für internationalen Austausch, begegnen sich Lernende und Lehrpersonen. Die Metaverse-Schulumgebung wird mit Inhalten und Kursen aus den Berufsfeldern der verschiedenen Partnerschulen ausgestattet.
Die Wichtigkeit eines Design-Netzwerks
Daniel Kehl ermutigte das Publikum, den Fachkongress aktiv für das eigene Netzwerk zu nutzen: «Schliesst Kontakte und interagiert. Reagiert als Designer – und fordert die Welt heraus.» Viele Referenten/-innen betonten die Bedeutung des gegenseitigen Austauschs von Wissen sowie die Auseinandersetzung mit ähnlichen Herausforderungen aus verschiedenen Perspektiven. Manuel Fischer erklärte: «KI und Automatisierung verändern, wie Kreativität entsteht. Du kannst nicht alles alleine lösen. In Zukunft sind eure interdisziplinären Fähigkeiten gefragt – und dass ihr an euren Werten festhaltet.»
Auch Hedda Lilleng ermutigte dazu, sich mit Menschen zu umgeben, die das eigene Denken erweitern und neue Perspektiven eröffnen. «Nutze Design, um Geschichten zu erzählen, die Emotionen wecken. Bleibt gemeinsam neugierig.»
Für Sixtine de Cidrac ist ein starkes Design-Netzwerk unerlässlich: «Unsere Projekte sind hochkomplex und verbinden visuelle Elemente, Sound, Choreografie, Menschen, Technologie, Sensoren und Interaktion zu multidisziplinären Erlebnissen. Um diese Elemente erfolgreich zusammenzuführen, brauchen wir Experten/-innen, die in ihrem Fach wirklich herausragend sind.»
Physische Schnittstellen als Ergänzung
Zu diesen Spezialisten zählen Jonas Scheiwiller und Sebastian Bayer von Lucid, die Best-Practice-Beispiele für die Verknüpfung digitaler und physischer Räume präsentierten. Für sie bleibt der Touchscreen mit Wischen und Tippen ein fixer Bestandteil des Alltags. Er werde aber zunehmend durch physische Schnittstellen ergänzt, die taktile Interaktionen ermöglichen.
Ein Beispiel dafür ist ihre Installation für die Ausstellung «Zurich Reimagined»:Ein Hauptbildschirm mit physischem Bedienungs-Interface wurde durch sieben kleinere Screens ergänzt, auf denen partizipative Zukunftsvisionen ausgestellt wurden.
Auszeichnungen beim IMDAward
Auch Oliver, angehender Interactive Media Designer EFZ, verfolgte gespannt die Präsentationen seiner Teamkollegen von Lucid in der Aula. Mit seiner Webseite für «Zurich Reimagined» sicherte er sich beim IMDAward des GBS St.Gallen den ersten Platz in der Kategorie Website.
Über den Fachkongress sagt er: «Aus jedem Vortrag heute kann ich einen Input mitnehmen. Besonders spannend finde ich, dass nicht nur KI im Mittelpunkt steht.» Wie viele seiner Klassenkameraden lobt er die Workshops am Vortag, die mit den Referenten/-innen des Interactive Media Design Days stattfanden. Besonders Anklang fand der Workshop der New-Media-Künstlerin Helena Nikonole. Sie stellte verschiedene KI-Tools vor, darunter Large Language Models (LLM).
Auf der Bühne begeisterte sie das Publikum mit ihrem Projekt «Acoustic Agriculture»: eine Forschungsarbeit über die Wechselwirkung von Klang, Künstlicher Intelligenz und hydroponischer Landwirtschaft, mit dem Ziel, das Pflanzenwachstum zu beeinflussen und die urbane Landwirtschaft nachhaltiger zu gestalten.
Die St.Galler Kreativwirtschaft
Designer/-innen haben heute unzählige Möglichkeiten, doch sowohl für sie selbst als auch für die Nutzenden besteht die Gefahr einer Reizüberflutung. Hugo Timm von Frontify empfahl daher: «Konzentriert euch auf das Wesentliche. Was müsst ihr tun? Was wollt ihr tun? Setzt Wetten auf die Zukunft, die sich lohnen.»
Vincent Schwenk gab Tipps, um die Freude am Design-Beruf langfristig zu bewahren. Er betonte die Bedeutung der kontinuierlichen Weiterentwicklung, um kreativ und relevant zu bleiben. Zudem empfahl er, die Bildschirmzeit bewusst zu steuern: «Digitale Arbeit braucht analoge Pausen. Und wenn wir schon von Bildschirmen sprechen – Inspiration kommt nicht nur von dort, sondern von überall.» Auch die Zusammenarbeit mit anderen Designern/-innen steigere nachweislich den Spassfaktor. Damit knüpfte er an die Bedeutung von Design-Netzwerken an.
Bereits zum Auftakt der Design Week am Dienstagnachmittag in der Lokremise diskutierten Fachleute aus Textildesign, Architektur, Designagenturen, Fotografie, Kunst und Kultur zentrale Fragen zur Zukunft der Kreativwirtschaft in St.Gallen. Samuel Zuberbühler, Leiter Standortförderung der Stadt St.Gallen, fasste es so zusammen: «Es wurden angeregte und offene Gespräche geführt. Alle spüren, dass sich etwas entwickeln kann. Die Lust ist geweckt.»